FARBE Lektion 4

Eigenart der Farbe

Farbton, Helligkeit, Sättigung

Mit Farbstern oder Farbkreis kann nur der Farbton definiert werden. Farben können aber bei gleichem Farbton vergleichsweise heller oder dunkler sein. Betrachten wir dazu das Gelb einer Zitrone im Vergleich zu demjenigen einer Grapefruit. Ohne Zweifel ist das Gelb der Zitrone, bei womöglich gleichem Farbton heller. Das Gelb der Zitrone ist auch deutlich heller als das Rot einer Kirsche. Anders gesagt, die Helligkeit einer Farbe ist eine vom Farbton unabhängige Größe, der in der Farbkommunikation eine ebenso große Wichtigkeit zukommt. Bei dem in Lektion 3 erläuterten einfachen Farbcode haben wir nur den Farbton mathematisch charakterisiert, nicht aber die Helligkeit.

Schauen wir uns noch einmal das Gelb einer Zitrone an. Es ist heller als dasjenige der Grapefruit. Wie aber verhält es sich zum Gelb eines Apfels? Man könnte im ersten Moment glauben, das Gelb der Zitrone sei heller als dasjenige des Apfels. Bei genauem Hinschauen merkt man aber, dass dies nicht korrekt ist. Das Zitronengelb ist nicht unbedingt heller, aber es ist leuchtender, kräftiger als das Gelb des Apfels. Der Farbunterschied liegt weder am Farbton Gelb noch an der Helligkeit, sondern vielmehr an der Farbsättigung. Die Sättigung verändert genauso wie die Helligkeit das Aussehen eines Farbtons und ist damit ein weiteres wichtiges Farbbeschreibungs-Kriterium.

Betrachten wir dazu nachstehende Abbildung, in der von links nach rechts der Farbton stufenlos von Magenta zur Komplementärfarbe Grün verläuft. Von unten nach oben nimmt die Helligkeit zu. Links und rechts in halber Bildhöhe liegen die reinen Farbtöne mit höchster Sättigung. In der Bildmitte ist die Sättigung am geringsten. Beim Übergang beider komplementärer Farben entsteht ein praktisch neutrales Grau.

 

Farbton, Helligkeit und Sättigung
Beide Abbildungen zeigen haargenau denselben, gleichbleibenden (gelben) Farbton. Links: Die Helligkeit verläuft von 40% bis 100%. Rechts: Die Sättigung bei ungefähr identischer Helligkeit nimmt von links nach rechts kontinuierlich ab.

Eine Reduktion der Sättigung – ausgehend vom reinen Farbton – kann unterschiedlich geschehen, wie das untenstehende Bildbeispiel zeigt. Die einfachste Form ist die Zugabe von Schwarz (K) wie in Beispiel 3. Eine ähnliche Wirkung wird durch Zugabe der Komplementärfarbe zum Farbton Cyan erzeugt (in Beispiel 2 gleiche Anteile Magenta und Yellow = Rot). Und selbstverständlich führt auch eine Kombination von Schwarz und Komplementärfarbe zur Verringerung der Sättigung (Beispiel 4).

Gleicher Farbton mit unterschiedlicher Sättigung
Von oben nach unten:
1. 100% Cyan
2. 80% C; 20% Magenta; 20% Yellow
3. 70% Cyan; 20% Black
4. 75% Cyan, 10% Magenta, 10% Yellow; 10% Black

Eine Veränderung der Helligkeit ist leicht zu erreichen: Bei gleichbleibendem Verhältnis der Grundfarb-Anteile ist ein Farbton heller, wenn der Prozentanteil geringer wird.

Farbton, Helligkeit und Sättigung sind voneinander unabhängige Parameter einer Farbbeschreibung. Erinnern wir dazu nochmals an den zwölfteiligen Farbkreis aus Lektion 3. Der Farbkreis zeigt ausschließlich nur die vollgesättigten, reinen Farbtöne. Er kann für die genaue Farbcharakterisierung daher nicht verwendet werden. Wollen wir Farben modellhaft darstellen, so muss eine Form gesucht werden, welche in einer Dimension die Farbtöne darstellt, in einer zweiten die jeweilige Sättigung charakterisiert und in der dritten Dimension schließlich eine klare Aussage über die Helligkeit macht.

 

Die Dreidimensionalität der Farbe

Um den dreidimensionalen Charakter der Farben mit Hilfe des Farbkreises darzustellen, bleibt nichts anderes übrig, als durch den Farbkreis eine senkrechte Achse für die Helligkeit zu stecken und zwischen den komplementären Farbtönen ein kontinuierliches Mittelfeld für die Sättigung anzulegen. Die reinen Farbtöne liegen bei diesem Modell auf dem Außenmantel, wobei die komplementären Farbtöne einander gegenüberliegen und über das Zentrum ineinanderfließen. Dadurch nimmt die Sättigung von außen gegen das Zentrum ab. Im Zentrum liegt die geringsmöglichste Sättigung (Neutralgrau). Die Helligkeit verändert sich auf der senkrechten Achse.

Farbkörper
Denkmodell zur Dreidimensionalität der Farbe

Die meisten in der bildenden Kunst bekannten Farbtheoretiker seit letztem Jahrhundert haben die 
Dreidimensionalität der Farbe erkannt und unterschiedliche Farbkörper konstruiert, die Farbton, Farbsättigung und Helligkeit integrieren (aber nicht quantisieren). Erwähnt sei hier die Farbenkugel von Johannes Itten oder der Farbenwürfel von Alfred Hickethier (siehe Lektion 2).


Farbordnungssysteme

Eine Sammlung von Farbmustern, die in einer möglichst empfindungsmäßig gleichabständigen 
Klassierung vorhanden sind, bilden ein sogenanntes Farbordnungssystem. Derartige Farbmuster-Sammlungen, die zur Kennzeichnung ebenfalls irgendwelche Ordnungsnummern oder Zeichenkombinationen verwenden, werden in verschiedenen Branchen zur Farbkommunikation und vor 
allem für die visuelle Farbabmusterung verwendet. Von einem Farbordnungssystem kann man nur dann sprechen, wenn die Farbmuster einen bestimmten Farbraum klar definieren und empfindungsmäßige Größen wie Farbton, Sättigung und Helligkeit genügend präzis beschreiben. Um Farbmuster-Sammlungen tatsächlich einsetzen zu können, müssen 30 bis 40 Farbtöne in bis zu 10 Helligkeits- und Sättigungsstufen vorliegen, was eine große und nicht ganz einfach zu handhabende Zahl von Farbmustern ergibt. Um ein vernünftiges Handling zu ermöglichen, ist die Zahl der Farbmuster gebräuchlicher Systeme als Kompromiss auf etwa 500 bis 1700 Muster beschränkt.

Die ersten Farbordnungssysteme entstanden in der Absicht, diese zur reinen, präzisen Farbbeschreibung zu benützen. Diese Aufgabe ist heute bedeutungslos geworden, da präzise Farbmessgeräte eine weitaus bessere und universellere Farbkommunikation erlauben und ihr Einsatz daher auch bereits viel verbreiteter ist. Farbmuster haben aber trotzdem ihre Bedeutung, indem sie beispielsweise während der Ausbildung die Fähigkeit fördern, Farben visuell beurteilen zu können. 
Designer und Farbgestalter arbeiten gerne mit Farbabmuster-Systemen um die Farbgebung eines Objekts zu planen und ihren Kunden vorzustellen. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass die in solchen Mustern verwendeten Farbstoffe in den seltensten Fällen identisch sind mit den Farbpigmenten, die bei der Ausführung des Projekts tatsächlich verwendet werden und somit beträchtliche Abweichungen entstehen können. Ob überhaupt mit einem bestimmten Farbordnungssystem gearbeitet werden kann, hängt maßgeblich davon ab, ob und wie weit das verwendete System innerhalb der betreffenden Branchen und Ländern praktisch vertreten ist.

Farbordnungssysteme
links: Ältestes Farbordnungssystem von Albert H. Munsell, 1915 herausgegeben und 1943 von OSA verbessert; rechts: Farbkreis im NCS-System

Das amerikanische Munsell-System wird naturgemäß vorwiegend in den USA verwendet, während in Europa eher das deutsche DIN-System (DIN 6164) und das schwedische NCS-System verbreitet ist. Weitere Farbordnungssysteme sind beispielsweise das OSA-System (Optical Society of America) sowie das seit 1986 erhältliche ungarische Coloroid-System. Eine große Verbreitung in Technik und Architektur hat das RAL-System (RAL-DS), das eigentlich eine Farbmustersammlung auf der Basis des CIELAB-Farbraumes (siehe Lektion 6) darstellt, das aber – wie beispielsweise auch das Farbmisch-System PANTONE – nicht wirklich ein Farbordnungssystem darstellt, weil keine gleichabständige Klassierung mit empfindungsmäßigen Größen vorhanden ist.

Innerhalb der eigentlichen Fotografie und grafischen Industrie sind Farbordnungssysteme (mit Ausnahme von PANTONE, weil insbesondere viele Gestalterberufe damit arbeiten) weitgehend bedeutungslos. Man sollte aber um ihre Existenz und ihre Problematik wissen, weil wir innerhalb der Kommunikation mit anderen farbgestaltenden Berufen damit konfrontiert werden.

Text und Abbildungen © by Jost J. Marchesi
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